Wer Klamotten kaufen geht, wählt meist zwischen Small, Medium oder Large. Eine Professorin für Modetheorie will, dass wir dieses Konzept überdenken.
„Eine Größe, die den meisten passt“, so lautet das Motto der Fashion-Marke „Brandy Melville“. Statt „One Size fits all“ also „One Size fits most“, die Größe ist dabei eine „Small“. Anfang April zeigte eine HBO-Dokumentation, wie das Unternehmen offenbar auch bei seinen Verkäuferinnen diese Norm verfolgt. Angeblich werden dort möglichst nicht-schwarze, junge, ultradünne, blonde oder rothaarige Frauen angestellt.
Die Mode- und Körpersoziologin Melanie Haller wundert das nicht. „Meine böse Vermutung ist: Es gibt nur wenige Firmen, die als Marke für große Größen verstanden werden wollen“, sagt sie BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA.
Plus-Size-Mode nur online: H&M äußert sich zur Kritik
So würden auch andere bekannte Modeketten wie H&M in ihren Läden keine Plus-Size-Mode verkaufen, die gebe es nur online. „Im selben Jahr, in dem das Plus-Size-Model Ashley Graham wieder einmal für H&M warb, nahm das Unternehmen die Größen aus dem Ladensortiment“, sagt Haller. „Zynisch formuliert könnte man sagen: Sie war die Quotendicke, die das möglich machte.“ Ganz davon abgesehen, dass auch Grahams Körper ein Ideal-Körper sei.
Auf Anfrage begründet ein H&M-Sprecher die Verlagerung der Größen XXL bis XXXXL in den Online-Shop mit der dort gestiegenen Nachfrage über die vergangenen Jahre. „Da unsere Produktpalette gewachsen ist, können nicht alle Stores alle Konzepte und Größen führen, stattdessen bieten wir die gesamte Kollektion online an“, sagt er BuzzFeed News Deutschland.
Modeexpertin: „Industrie hat großes Interesse, dass das so bleibt“
Am Umgang von H&M mit Plus-Size-Mode, aber auch an der Castingshow „GNTM“, die 2023 ein Curvy Model gewann, werde deutlich: Wenige diverse Models vermittelten der Bevölkerung das Gefühl, dass die Modebranche in Sachen Körperakzeptanz weiter sei, als sie es in Wirklichkeit ist. „GNTM ist hoch normativ, genauso wie es unsere Konfektionsgrößen immer noch sind“, sagt Haller.
Seit dem 19. Jahrhundert entscheiden sie darüber, welche Körper normal sind und welche nicht. Ihre Anfänge nahmen Konfektionsgrößen im Militär, als eine große Masse von Menschen eingekleidet werden musste. Hier war die Einteilung in „Small“, „Medium“ und „Large“ sinnvoll. Heute sei sie schwierig, denn jeder Hersteller vermesse anders, so Haller.
Die Schnitte seien bei Zara viel enger als beispielsweise bei H&M. „Es gibt keine objektiven Größen“, sagt die Professorin für Modetheorie an der Akademie für Mode und Design in Hamburg. Alles von XXS bis XXL sei nicht einheitlich. Trotzdem habe jede Person eine subjektive Vorstellung davon, dass sie eine bestimmte Kleidergröße besitze.
„Die Industrie hat ein großes Interesse daran, dass das so bleibt“, vermutet Haller. Denn wenn eine Person eigentlich M trage, bei einer anderen Marke aber nicht reinpasse, kaufe sie das Kleidungsstück im Zweifel trotzdem und hoffe, in einigen Monaten werde es schon passen.
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„One Size“ sendet klare Botschaft: „Du hast den falschen Körper“
In „One Size“ sieht die gelernte Schneiderin keine Lösung. Kleidung, die allen Körpern passe, sei ein schöner Gedanke. „Wenn sie dann aber nicht passt, dann ist die Information deutlich: Du hast den falschen Körper.“ Das werde an Marken wie „Brandy Melville“ deutlich: Es mache einen großen Unterschied, ob eine etwas schwerere Person ein Crop-Top trage, oder eine zierliche Person. „Da kann ich noch so viel Stretch in ein Oberteil machen“, sagt Haller.
Dass es in Online-Shops (wie Temu) eher weniger als mehr Größen gebe, schade zudem der Umwelt. Der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel kritisiert, dass fast jeder Anbieter mit seinen eigenen – häufig auch bewusst extra kleiner angegebenen – sogenannten „Schmeichelgrößen“ arbeitet. Hier seien die Retoure-Quoten hausgemacht – rund 86 Prozent der Bestellungen werden wegen eines Passformproblems zurückgeschickt. Auf BuzzFeed News-Nachfrage, wie es bei H&M mit der Retoure aussieht, ging der Konzern nicht ein.
„Wir brauchen mehr Ausdifferenzierung“, sagt Haller. Früher habe es diese gegeben, weil ein Schneider Kleidungsstücke maßangefertigt habe. Die Spezialisierung eines Herstellers auf bestimmte Größen hält sie für eine gute Sache. „Nur so kommen wir weg von schlecht passenden Konfektionsgrößen“, sagt Haller.
Unternehmen wie Brandy Melville, die Mode für zierliche Frauen machen, sind Hallers Meinung nach also kein Problem – wenn sie dies auch entsprechend vermarkteten. „Was ich für totalen Quatsch halte, ist, wenn diese Firmen ihre Mode One Size nennen“, sagt sie BuzzFeed News Deutschland.